26. Januar 2024

Ross Branch exklusiv im Baboons-Interview

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Vor einer Woche endete die Rallye Dakar nach zwei spannenden Wochen mit dem Sieg von Honda-Star Ricky Brabec. Der Amerikaner und Hero-Pilot Ross Branch lieferten sich einen engen Kampf, zwischenzeitlich waren die beiden in diesem 8000-Kilometer-Härtetest nur durch einen Wimpernschlag getrennt.

Wir hatten die Gelegenheit mit Branch während seines Besuchs nach dem Rennen bei der indischen Hero Motor Corporation, nach eigenen Angaben weltgrößter Zweiradhersteller, zu plaudern. Der 37-Jährige aus Botswana fährt bekanntlich auf einer von Speedbrain entwickelten Maschine für das bayrisch-indische Hero Motorsports Team Rally mit Sitz in Rosenheim.

Glückwunsch, Ross, du hast deinen Namen und den der Marke Hero ins Rampenlicht der Rallye-Welt gerückt. Hattest du inzwischen Zeit, es auf dich wirken zu lassen?

Ross Branch: Na ja, wir sind direkt aus Saudi-Arabien vom Podium nach Indien gereist, was unglaublich war. Es ist wirklich cool zu sehen, wie positiv das gesamte Team in Indien aufgenommen wurde, und wie stolz man ist, dass wir Platz zwei erreicht haben. Die größte Emotion war auf jeden Fall das Überqueren der Ziellinie. Die Podiumzeremonie danach war wirklich emotional, weil ich so lange darauf hingearbeitet habe – und nicht nur ich. Es gibt so viele Menschen, die gemeinsam dieses Ziel verfolgt haben. Und ja, ich hoffe, dass ich es in den nächsten Tagen noch intensiver genießen kann, wenn ich nach Hause komme.

Der Fight mit Ricky Brabec hat die Rallyefans in den Bann geschlagen, am Ende hat Brabec seinen zweiten Dakarsieg errungen. Du hast analysiert, dass Kamelgras ein wenig ein Schwachpunkt war. Die positiven Aspekte überwiegen gegenüber der Enttäuschung?

Ja, insgesamt war es wirklich großartig für uns. Ich habe vor der Dakar etwas völlig anderes ausprobiert. Ich habe anders trainiert und mit einem Mentaltrainer zusammengearbeitet, was wirklich sehr, sehr wichtig war und mir enorm geholfen hat. Ich habe so knapp gegen einen der schnellsten Fahrer der Welt gekämpft, die Zeiten waren unglaublich eng. Es war eine Menge harter Arbeit, aber ich bin so froh zu sehen, dass wir jetzt alles haben, was wir brauchen, um das Rennen zu gewinnen, dieses Jahr hat das gezeigt.

Kamelgras ist definitiv eine meiner Schwächen, aber ich hatte dieses Jahr viel mehr Stärken. Es sind ein oder zwei kleinere Dinge, die ich an meinem Selbstvertrauen in Kamelgras ändern muss, aber ansonsten hatten wir dieses Jahr viele wirklich positive Aspekte und auch eine wirklich tolle Teamstrategie, die bei der Dakar offensichtlich eine große Rolle spielt.

Diese 14 Tage in Saudi-Arabien sind so ziemlich das Härteste, was man sich im Sport vorstellen kann. Der Plan fürs Rennen wurde ein Stück weit obsolet, weil mit Joaquim Rodrigues und Sebastien Bühler zwei Teamkollegen früh aufgeben mussten.

Die zwei Wochen waren wahrscheinlich die härteste Dakar, die ich je gefahren bin und der Verlust der Teamkollegen in der ersten Woche war für uns schmerzlich. Aber auch für mich als Fahrer hinterließ es eine große Lücke in unserer Strategie. Es war wirklich schwierig und besonders für Team Manager Wolfgang Fischer, eine Entscheidung zu treffen, ob wir angreifenm und wann – oder einfach nur versuchen, die Ziellinie zu erreichen. Wir haben nichts geändert, wir haben die Strategie beibehalten, wie sie war. Wir haben bis zum Schluss angegriffen, wir waren jeden Tag im Rennen und ich bin wirklich froh, dass wir es so gemacht haben.

Man sagt, dass es Wochen dauert, bis man sich von der Teilnahme an der Dakar erholt hat. Was macht diese Motorsport-Ikone mit dem Körper und dem Kopf?

Du durchlebst so viele Höhen und Tiefen, dass dein Körper eigentlich nicht weiß, was gerade los ist. Man muss mental wirklich superstark sein, um die zwei Wochen zu überstehen, und vor allem, wenn es so schwer ist wie diese 46. Dakar. Es war hart für den Körper, das Motorrad und für den Kopf. Körperlich war ich das ganze Rennen über wirklich stark, ich habe mich gut gefühlt und gezeigt, dass sich die Arbeit, die ich zu Hause geleistet habe, wirklich auszahlt. Ich bin wirklich zufrieden damit, wie alles gelaufen ist, aber es ist eine unglaubliche Belastung. Jetzt, eine Woche danach, spüre ich immer noch Schmerzen und die Nachwirkungen.

Dein Smartphone ist wahrscheinlich vor lauter Nachrichten explodiert?

Ja, ich habe so viel Unterstützung aus der ganzen Welt bekommen und es war wirklich unglaublich und ich habe mein Bestes gegeben, jede einzelne Nachricht durchzugehen, und es bringt wirklich so viel Freude in mein Leben und so viel Glück. Alle die Nachrichten, die ich erhalten habe, und so viele von meinen Freunden, zu denen ich den Kontakt verloren habe, aber es zeigt, dass wirklich die ganze Welt diese eine Rallye beobachtet, und es ist unglaublich.

Als Südafrikaner belegte Alfie Cox einst bei der Dakar den zweiten Platz. Spielte er eine Rolle dabei, dich dorthin zu bringen, wo du jetzt bist?

Ich schaue immer noch zu ihm auf, er ist ein wirklich cooler Mensch, ein wirklich guter Athlet und als Mentor mmer nur einen Anruf weit weg. Ich habe eine spezielle Verbindung zu ihm. Es ist cool,mit ihm mit einem zweiten Platz gleichzuziehen. Wir gehen alle an den Start, um zu gewinnen, aber dieser Podestplatz ist wie ein Sieg.

Du sagst, deine Frau ist mit nach Indien gekommen?

Wir sind non-stop von Riad geflogen. Ich hatte wirklich Glück, meine Frau konnte mich begleiten und das gesamte Team kennenlernen. Es war ein besonderer Anlass für mich und für sie und wir hatten die beste Zeit unseres Lebens im Hero Global Center of Innovation and Technology in Punjar. Sie haben sich wie Könige um uns gekümmert und wir haben ein paar alte und neue Gesichter kennengelernt und waren wirklich stolz auf das, was wir dort gemacht haben. Grandios, wie sich so viele Hero-Mitarbeiter bei uns bedankten und zeigten, dass sie unser Rennen verfolgten.

Was wird schließlich in den nächsten Wochen mit Ross Branch passieren (außer der Planung eines Kamelgras-Trainingslagers)?

Auf jeden Fall steht wieder Kamelgras im Kalender, um für die Dakar im nächsten Jahr besser zu werden, aber dafür haben wir ein bißchen Zeit. Ich hoffe, dass ich noch eine weitere Trainingsreise nach Namibia machen kann, um mich wieder auf die Dünen und das Roadbook-Training einzulassen und mich auf den nächsten WM-Lauf in Abu Dhabi vorzubereiten.

Mit einem so guten Start in das Jahr und dem aktuell zweiten Platz in der WM haben wir gute Chancen auf die Weltmeisterschaft, aber wir müssen konzentriert und geerdet bleiben. Der Wettbewerb ist extrem hart, ich freue mich auf ein großartiges 2024.

Natürlich möchte ich mich ganz herzlich bei meinem gesamten Hero Motorsports Team Rally für den Glauben bedanken. Sie sind vor ein paar Jahren das Risiko eingegangen, mich ins Team zu holen und wir haben einen langen Weg zurückgelegt. Ich bin wirklich sehr stolz auf alle und wirklich glücklich, wo wir im Moment sind. Ich freue mich sehr auf die nächsten Jahre mit dem Team. Nochmals vielen Dank für die Unterstützung.